Bettina Trouwborst // tanzweb krefeld |
Josefine Patzelt und Lenah Flaig beschließen die Reihe First Steps in der Fabrik Heeder mit ihrem Stück „One must still know how to disappear“
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Günter Pick // tanznetz.de
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WENIG AUFWAND – GROßES THEATER
Pick bloggt über Karel Vanek und Guido Preuß in Bonn und schaut dann auch bei Lenah Flaig und Josefine Patzelt in Köln vorbei. Zwei begabte junge Damen in Köln hatten uns etwas zu sagen, und zwei Herren erfanden und entwickelten eine etwas andere Theaterform. [...] Bei den beiden Damen Lenah Flaig und Josefine Patzelt sieht die Sache in ihrem Stück über das Verschwinden ganz anders aus: da gibt es nichts zu lachen, auch nichts zu schmunzeln in „One must still know how to disappear“. Sie nehmen ihre Sache sehr ernst und haben Recht damit. Wie so oft bei dieser Art von Tanzperformance darf man seiner eigenen Fantasie freien Lauf lassen. Wenn der Abend beginnt und die Bühne der Tanzfaktur in Köln ins rechte Licht gerückt wird, sitzen zwei junge, ausnehmend hübsche Tänzerinnen in Slip und BH sich gegenüber in eine wortlose Konversation vertieft, die ihnen offenbar immer wieder kleine Denkpausen abringt, während sie sich nach und nach Alltagsklamotten überziehen. Es bleibt nun auch nicht bei diesen beiden Tänzerinnen, sondern eine wunderbare Geisterstimme erzählt ihnen, und natürlich den Zuschauern, in bestem BBC-Englisch einen hochphilosophischen Text (wahrscheinlich Jean Beaudrillard), der selbst dann, wenn man seiner Tiefe nichts abgewinnen sollte, doch so angenehm aufs Gemüt geht, dass man sich nicht entziehen kann, so wie man eine Klangkulisse oder Musik nicht negieren kann. Damit erzeugen diese beiden mit ihrem fiktiven Partner eine erstaunliche Atmosphäre, die über fünfzig Minuten reicht und mich unterwegs nicht gelangweilt hat - so reizvoll fand ich das Ganze. Und wenn Sie mich nun fragen: wie war denn die Choreografie? Da muss ich passen, ich habe nicht nach ihr gesucht und ausnahmsweise habe ich sie auch nicht vermisst, weil mit dem, was die beiden Darstellerinnen auf der Bühne machen, eine Spannung erzeugt wird, ganz gleich, ob es tiefsinnig sein sollte oder nicht, und die Frage einfach nicht aufkam. Die sparsamen musikalischen Attribute (Sound: Eric Eggert), genauso wie der Sprecher (Sprecher: Ralf Günther) und das, was auf der Bühne passiert, berührten und interessierten mich für den Moment, und darauf kommt es schließlich an. Ich glaube nicht, dass dieses Erstlingsstück Ewigkeitscharakter haben wird, aber es zeugt von Talent für und Ausstrahlung auf der Bühne und offenbar war es etwas, was mir an diesem Abend Vergnügen bereitet hat! |
Klaus Keil // tanzwebköln.de
Photos (c) Max Flaig
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28.02.2016
deutsch: kritiken / interviews, News “ZWEI TANZ-DUOS, DIE WELTEN TRENNEN” – NACHWUCHSCHOREOGRAPHIEN IN KÖLN – NACHTKRITIK Von KLAUS KEIL NACHTKRITIKEN ZUR PREMIERE VON MARION DIETERLE’S “CHICKS” UND LENA FLAIG’S UND JOSEFINE PATZELT’S “ONE MUST STILL KNOW HOW TO DISAPPEAR” ZWEI TANZ-DUOS, DIE WELTEN TRENNEN NACHWUCHSCHOREOGRAPHIEN IN KÖLN Von KLAUS KEIL [...] Es waren zwei Stücke, die unterschiedlicher nicht hätten sein können und damit die künstlerische Vielfalt und Qualität von Kölns freier Szene anschaulich demonstrieren. Haptisch und gegenständlich Dieterle, abstrakt und analytisch Flaig/Patzelt. Während Dieterle damit ihrer bisherigen Herangehensweise und Inszenierungsform treu blieb, stellten sich Flaig/Patzelt mit großem Erfolg der Herausforderung einer konsequent durchdachten, philosophisch basierten Gesamtinszenierung aus Tanz/Sprache/Sound und Licht. . [...] PACKENDER SPANNUNGSBOGEN BIS ZUM SCHLUSS . Für das Duo Flaig/Patzelt war es die erste gemeinsame Choreografie. Eigentlich müsste man von einem Trio sprechen, denn eine männliche Stimme aus dem Off ist als fiktive Person ständig präsent und mischte sich beeinflussend auf Handlung und Tanz der beiden in das Stück ein. Wo Texte sonst nur illustrierend ein Stück ergänzen, gehört er hier inhaltlich unverzichtbar zum Stück. Inspiriert waren die Texte von der These des französischen Philosophen Eric Baudrillard vom Verschwinden des Menschen in der Gleichgültigkeit, ergänzt und zusammengestellt hatte sie Eric Eggert, der auch den angemessenen Sound dazu einspielte, und nachdrücklich mit markanter Stimme gesprochen von Ralph Günther. Kann man denn eine philosophische Position vertanzen? Lenah Flaig und Josefine Patzelt zeigen eindrucksvoll, wie man choreografisch-tänzerisch damit umgehen kann. Dazu setzen sie am bekannten zeitgenössischen Bewegungsrepertoire an, das sie in diesem Stück zu einer Art Stop-and-Go-Bewegungssprache weiterentwickelt haben. Schon beim Einstieg in das Tanzstück wird anschaulich, wie das funktioniert und Inhalt und Tanz zusammengebracht werden. . Das Stück beginnt mit offener Bühne. Während das Publikum seine Plätze einnimmt, sitzen die Tänzerinnen ganz entspannt, nur mit Slip und BH bekleidet, auf Stühlen. Ein sirrender, sirenenhaft rufender Sound, von Dröhnen begleitet, setzt an. Die Tänzerinnen beginnen, sich anzuziehen. Mitten in der Bewegung stoppen sie, der Körper erstarrt, um nach einem Moment verzögert in der Bewegung fortzufahren. Das wirkt wie kleine Aussetzer in der elektrischen Spannung, die gleich wieder behoben sind und die Energie weiter laufen lassen. . Es setzt sich dann fort, wenn beide, langhaarig, blond, gleich gekleidet, sich wie die Kopie der anderen mit verzögerten Schrittänderungen, eingeknickten Körpern, den Armen in Vorbeuge zum Tanz auf der Bühne synchron bewegen, Ausbrüche versuchen, dabei ohne sichtbaren Kraftaufwand eine vibrierende Spannung aufbauen, die von der Stimme aus dem Off vorangetrieben wird und sich plötzlich durch ein Absinken des Körpers oder der Arme löst. DAS VERSCHWINDEN DER SICHTBARKEIT . Haben Sie das erwartet zu sehen, fragt die Stimme an den Zuschauer gerichtet. Schließen Sie die Augen, weist die Stimme an, und alles um Sie herum wird verschwinden, doch nur aus Ihrer Sicht. Immer schneller und aggressiver peitscht die Stimme damit auch den Tanz voran. Der Zuschauer wird zum aktiven Teil der Inszenierung allein durch sein Sehverhalten. Im Flackerlicht eines Stroboskop verschwinden die beiden Tänzerinnen, tauchen nach einer kurzen Dunkelphase in einer Lichtgasse wieder auf, um sich in Slowmotion aus dem background aufs Publikum zuzubewegen. Die Stimme schließt das Set: „You can only remember a situation, no details, no story“. . Lenah Flaig und Josefine Patzelt ist mit dem Team von Sound und Text (Eric Eggert/Ralph Günther) und Licht (Garief Kessler) ein faszinierend-spannungsgeladenes Tanzstück gelungen, das sich einer abstrakt-philosophischen Fragestellung überzeugend genähert hat. Aus der großartigen Zusammenarbeit aller ist ein kleines tänzerisches Gesamtkunstwerk entstanden. |